Wie ein DSL-Anbieterwechsel so richtig schief gehen kann.
Ich bin privat bei mir zuhause seit 2.11.2015 13.08 Uhr ohne Telekommunikationsversorgung. Mein alter Anbieter (O2) hat die Leitung gekappt, mein neuer Anbieter (Telekom) sie noch nicht geschaltet. Nächster möglicher Termin 4.12.2015. Viereinhalb Wochen ohne Internet, WLAN und Festnetz, 33 Tage, wenn alles gut geht. Der ARD Multimedia-Experte ist privat ohne Internet und kann nichts dagegen tun.
Die Geschichte im Detail. Ich hatte das so genannte Triple-Play, Mobilfunk, Festnetz und Internet bei O2. Ich war mit der Mobilfunkversorgung von O2 lange schon unzufrieden, weil ich in Gebäuden, im Zug und auf größeren Veranstaltungen kein ausreichendes Netz hatte. Die Verträge waren am Auslaufen, also kam ich auf die glorreiche Idee, den Anbieter komplett zu wechseln, ins „beste Netz“ zur Telekom. Schon der Wechsel des Mobilfunks war mehr als holprig. Es war klar, dass ich zu der Zeit als die neue SIM-Karte mir zugeschickt werden sollte, auf der Messe IFA in Berlin sein werde. Aber kein Problem, an der Telekom-Hotline sagte man mir zu, dass ich die Karte einfach rechtzeitig vorher zugeschickt bekommen werde. Sie kam aber nicht. Am 2.9.2015 versuchte DHL-Express mir die Karte zuzustellen, ich war aber nicht da. Drei weitere Zustellversuche von DHL-Express schlugen fehl. Der Bote kam einfach nicht in dem Zeitfenster wie mit der Hotline vereinbart, sondern ein einem Fall anderthalb Stunden früher. Am 13.09.2015 endete mein Vertrag bei O2, ab 14.09.2015 ca. 9 Uhr war ich ohne Mobilfunk und ohne mobiles Internet. Ein Tag offline, das geht ja gar nicht. Ich habe an der DHL-Hotline getobt (was sonst wirklich nicht meine Art ist), ohne Ergebnis. Nein, eine weitere Zustellung am selben Tag sei einfach nicht möglich. Tags drauf, am 15.09.2015 standen dann (ohne dass es vereinbart war) morgens zwei DHL-Express-Mitarbeiter vor der Tür und drückten mir freudestrahlend die neue SIM-Karte in die Hand. Zwei Wochen, um eine Express-Sendung zuzustellen, wird aus meiner Sicht dem Begriff Express nicht gerecht. Und ein Tag offline im Mobilfunk, ich dachte das sei schlimm. Es sollte aber noch schlimmer kommen, denn ich wollte ja auch mit DSL und Festnetz wechseln.
Am 21.09.2015 beauftragte ich bei der Telekom mit dem Paket Magenta Zuhause M den Anbieterwechsel. Meine Rufnummer wollte ich behalten, die kann ja portiert werden. Gleichzeitig kündigte ich rechtzeitig und zeitlich ausreichend bei O2 zu Ende Oktober, was sich schließlich als Fehler herausstellen sollte. Am 25.09.2015 schickte ich der Telekom das Anbieterwechselformular, fragte ein paar Tage später an der Hotline nach, ob alles klar sei, ja es sei alles klar. Einen Monat (!) später, am 22.10.2015 erhielt ich einen Anruf von der Telekom, es würde noch das Anbieterwechselformular fehlen. Nein, ich hatte das nicht gefaxt, ich habe privat kein Faxgerät, sondern gemailt. Offenbar auch ein Fehler. Am selben Abend noch kontaktierte ich die O2-Hotline und bat den Termin für die Umstellung um einen Monat zu verschieben, auf Anfang Dezember. Das wurde mir auch so zugesagt. Ich bin mir da deshalb so sicher, weil ich noch nachgefragt hatte, ob sich der Vertrag nicht etwa um zwölf Monate verlängere, nein, hieß es, nur einen Monat.
Am 2.11.2015 schaltete schließlich O2 meinen DSL-Anschluss trotzdem ab. Nichts zu machen, die Leitung sei weg, hieß es an der O2-Hotline. Weg ist weg. Kurios: Meine Rufnummer gibt O2 für den neuen Anbieter aber erst zum 4.12. frei, ich hatte ja die Kündigung um einen Monat verschoben… Da ist einiges schief gelaufen, von beiden Anbietern.
Rechtlich gesehen darf O2 die Versorgung eigentlich gar nicht einstellen. Es gibt da klare Vorgaben von der Bundesnetzagentur. Das nützt im Zweifel nichts, wenn die Leitung weg ist und der Anschluss tot. Neu zu schalten würde es 20 Werktage dauern, hieß es bei O2. Dann ist es auch Ende November. Jetzt habe ich die Wahl, meine geliebte private Rufnummer behalten oder schnell wieder einen neuen Internet-Anschluss. Wenn ich schon „Stornierung des jetzt laufenden Auftrags“ und „Neubeauftragung“ höre, dann denke ich bin ich mit den derzeit avisierten 33 Tagen offline noch gut bedient.
Ich bin nicht allein betroffen, 28.000 Beschwerden über Probleme beim Anbieterwechsel sind im Jahr 2014 bei der Bundesnetzagentur eingegangen. Dieses Jahr wird es mindestens eine Beschwerde mehr sein, nämlich meine.
Das sagen die Netzbetreiber zu meinem Fall:
Stellungnahme O2:
Aufgrund der von Ihnen beschriebenen Verzögerungen beim Portierungsvorgang ist es prozesstechnisch leider nicht mehr möglich, den Anschluss weiterzuversorgen. Wir bemühen uns, mit der Deutschen Telekom schnellstmöglich eine Lösung herbeizuführen. Wir bedauern die Ihnen entstandenen Umstände und möchten Ihnen in der Zwischenzeit einen kostenfreien Surfstick für die Internetnutzung zur Verfügung stellen.
Stellungnahme Deutsche Telekom:
Hallo Herr Reinhardt,
wir können sehr gut nachvollziehen, dass Sie verärgert sind. Ihre konkreten Fall lasse ich anhand der persönlichen Daten derzeit prüfen.
Zum Grundsätzlichen: Wir wissen dass die Prozesse beim Wechsel zwischen den Anbietern noch nicht in allen Fällen so funktionieren, wie sie sollten. Gemeinsam mit unseren Wettbewerbern müssen wir weiter daran arbeiten. Richtig ist aber auch: Von den jährlich mehr als drei Millionen Anbieterwechseln in Mobilfunk und Festnetz laufen die allermeisten problemlos. Konkrete Fallzahlen zu den Problemfällen liegen mir nicht vor. Zu den erwähnten 28.000 Beschwerden kann ich allerdings sagen, dass diese sich nicht nur auf den Anbieterwechsel beziehen, sondern alle Probleme beinhalten.
Die Prozesse des Wechselns sind im Festnetz technisch sehr komplex und teilweise sind immer noch manuelle Arbeiten nötig, was leider auch zu Fehlern führen kann. Hinzu kommt, dass die Kunden auch nicht immer vollständige bzw. korrekte Angaben machen. Die Telekom hat bereits Verbesserungsmaßnahmen getroffen: Als einer der ersten Anbieter hat die Telekom im Oktober 2013 die vollautomatische Wechsel-Schnittstelle fertiggestellt. Zudem haben wir mit den größten Wettbewerbern einen zusätzlichen Eskalationsprozess für Kundenbeschwerden zum Anbieterwechsel gestartet. Im Telekommunikationsmarkt gibt es rund 400 Anbieter. Deshalb ist es nicht ganz einfach, vollautomatische Prozesse für den Anbieterwechsel im Festnetz zu etablieren, wie es ihn im Mobilfunk bereits gibt.
Die Bundesnetzagentur hat in ihrer Pressemitteilung selbst darauf verwiesen, dass wir uns „aktiv an der branchenübergreifenden Erarbeitung und Einführung effizienterer Prozesse zur langfristigen Verbesserung des Anbieterwechsels“ beteiligen. Das werden wir mit Nachdruck weiterhin tun. Der Wechselprozess muss für die Kunden reibungslos funktionieren.
Aber: Geben Sie ihren Zuschauern/Lesern bitte auch mit auf den Weg, dass diese bitte nie selbst kündigen sollten. Das sollte immer der neue Anbieter machen. Damit kann man einige Stolpersteine aus dem Weg räumen.